Interview mit Ausrangiert und Abgeschoben e.V zum Thema Vermehrerhunde

Ein Interview zum Thema:

Wie arbeitet ein Tierschutzverein, der sich um Vermehrerhunde kümmert?

Über das Leben der Vermehrerhunde habe ich bereits hier in einem ausführlichen Artikel berichtet. Hier kamen auch Vereine zur Sprache, die sich um die speziellen Bedürfnisse dieser Tiere kümmern. Die Vermehrerhunde zu retten, zu pflegen und später in ein neues Zuhause zu begleiten, hat sich auch der Verein „Ausrangiert und Abgeschoben e.V“ zur Aufgabe gemacht.

Sylke
Sylke von „Ausrangiert und Abgeschoben e.V.“

Ich freue mich, dass ein Mitglied des Vereins, Sylke, zu einem ausführlichen Interview rund um ihre Arbeit und die Vermehrerhunde-Problematik bereit war.

Im Folgenden finden Interessierte daher viele interessante Informationen aus dem Alltag eines Tierschutzvereins.

 

Hund.info: Welche Aufgaben erfüllst Du in Eurem Verein?

Sylke: Wenn uns Hunde gemeldet werden, suche ich die passende Pflegestelle für den jeweiligen Hund, führe die Erstgespräche mit Pflegestellen-Bewerbern und schreibe die Pflegestellen- und Tierschutzverträge

 

Hund.info: Warum liegen Dir Vermehrerhunde besonders am Herzen?

Sylke: Mein erster Tierschutzhund ist eine ehemalige Vermehrerhündin. Sie war 6 Jahre alt und körperlich sehr mitgenommen, als wir sie adoptiert haben. Für sie war alles neu, sie kannte nichts, wie ein erwachsener Welpe. Doch sie schenkte uns schnell ihr Vertrauen und nahm ihr neues Leben an. Seitdem gehört mein Herz den Vermehrerhunden. Für die Mütter und Väter der sogenannten Billig-Welpen interessiert sich niemand, die Käufer sehen nur die armen Welpen. Dass die Alttiere ein trauriges Dasein fristen, meist nur in Zwingern, Verschlägen oder im Stall vor sich hin vegetieren, keinen Spaziergang oder eine Wiese kennen, wissen leider die wenigsten.

 

Hund.info: Was würde mit einem Vermehrerhund am Ende seiner Leistungsfähigkeit passieren, wenn es Euch als Tierschützer nicht gäbe?

Sylke: Dazu muss man unter den einzelnen Vermehrern unterscheiden.

Es gibt die sogenannten Hobby Züchter, die unter keinem Verband züchten, nur ein paar wenige Muttertiere haben und sich auch um genügend Futter und medizinische Versorgung kümmern. Sie möchten ihre Tiere in ein gutes Zuhause geben.

Und die Vermehrer, die zum reinen Gewinn vermehren, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Muttertiere und der Welpen. Sie entledigen sich ohne schlechtes Gewissen von ihren Tieren. Diese Hunde finden den Tod, werden ausgesetzt oder aber auch an den nächsten Vermehrer verkauft.

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Was passiert mit „ausgedienten“ Vermehrerhunden?

Hund.info: Wie findet Ihr die hilfsbedürftigen Hunde, die Ihr aufnehmt?

Sylke: Durch befreundete Tierschutz Organisationen oder sie werden uns selbst gemeldet. Manchmal finden wir die Tiere auch durch Hinweise von aufmerksamen Menschen.

 

Hund.info: Was wiegt Deiner Meinung nach schwerer? Die körperlichen oder die seelischen Schäden eines Vermehrerhundes?

Sylke: Das kann man nicht verallgemeinern, es gibt auf beiden Seiten sehr schwerwiegende Schäden, die den Hund beeinträchtigen und sein restliches Leben bestimmen. Die meisten Hunde können sich nach einiger Zeit erholen und ein relativ normales Leben führen. Aber manche bleiben für ihr gesamtes Leben traumatisiert, sind auf lebenslange Medikamente angewiesen, oder müssen aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung frühzeitig erlöst werden.

Hund.info: Hat ein ehemaliger Vermehrerhund eine Chance, sich wieder zu erholen?

Sylke: Die meisten ja, aber leider nicht alle. Dabei spielt auch das Alter keine Rolle. Viele alte Vermehrerhunde finden sich recht schnell in ihrem neuen Leben zurecht.

 

Hund.info: Was sind die größten Herausforderungen bei Deiner Arbeit als Pflegestelle?

Sylke: Den Pflegehund in seine neue Familie ziehen zu lassen, ist für mich eindeutig die größte Herausforderung. Aber man kann nicht alle behalten und nur helfen, wenn man die benötigten Pflegestellen zur Verfügung hat. Das Glück des Hundes entschädigt für den Herzschmerz, den man empfindet, wenn man seinen Schützling in seine neue Familie ziehen lässt.

Ich erwarte von einem neuen Pflegehund erst einmal nichts. Man weiß nie, wie der jeweilige Hund sein neues Leben annimmt. Nach ein paar Tagen Ruhe kann man dann so nach und nach einschätzen, was der Pflegehund benötigt. Wie verhält er sich gegenüber uns Menschen und den vorhandenen Hunden in der Familie? Wie geht er mit Geräuschen und dem Familienalltag um, sucht er die Nähe zu uns, oder geht er uns lieber aus dem Weg? Lässt er Berührungen zu, oder zeigt er Angst vor Händen? So arbeitet man sich Tag für Tag immer ein Stück weiter. Lernen, ein Geschirr und Halsband zu akzeptieren und an der Leine zu gehen, ist auch eine Herausforderung für viele Hunde. Manche Pflegehunde bleiben nur wenige Wochen und finden relativ schnell ihre eigenen Familien, einige wenige bleiben aber auch mehrere Monate, bis sie endlich zu ihren Familien umziehen können.kaefig

Hund.info: Kann jeder Hund später in ein eigenes Zuhause umziehen?

Sylke: Eigentlich ja.

Manchmal gibt es aber auch Situationen, in denen wir zum Wohle des Hundes anders entscheiden. Hunde, die sehr krank sind und ihr restliches Leben teure Medikamente brauchen, bleiben in Vereinsobhut. Das heißt, die Hunde bleiben in ihren Pflegestellen und der Verein trägt weiterhin die medizinischen Kosten bis an ihr Lebensende.

Hund.info: Was müsste Deiner Meinung nach getan werden, um Vermehrern dauerhaft das Handwerk zu legen?

Sylke: Das Gesetz muss dringend geändert und die Haltung von Hunden genau geregelt werden, damit die jeweiligen Veterinärämter nicht mehr wegschauen können, sondern zum Handeln gezwungen werden. Unangekündigte Kontrollen einzuführen, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt.

Hund.info: Welche Voraussetzungen muss eine künftige Pflegestelle erfüllen, um Euch unterstützen zu können?

Sylke: Ruhe, Zeit und Geduld sind mit die wichtigsten Voraussetzungen. Um einen ehemaligen Vermehrerhund zu pflegen, sollte man schon Hundeerfahrung und idealerweise einen souveränen Ersthund haben, denn dieser erleichtert dem Vermehrerhund den Weg in das für ihn völlige neue Leben. Sie schauen sich vieles ab, spüren die Ruhe und Gelassenheit und bauen so auch Ängste ab.

Die Vermehrerhunde sind in der Regel sehr sozial gegenüber anderen Hunden, sie haben ihr bisheriges Leben nur mit Hunden verbracht und kennen es nur so. Der Pflegehund sollte nicht länger als  4-5 Stunden täglich alleine bleiben müssen. Die Hunde kennen keine Stubenreinheit, kein Geschirr und Leine, kein Leben in einem Haus und müssen das alles erst lernen, wie ein erwachsener Welpe. In der Regel lernen diese Hunde das aber sehr schnell.

Hund.info: Mit welchen Kosten pro Hund müsst Ihr rechnen, wenn Ihr ihn aufnehmt?

Sylke: Auch das kann man nicht verallgemeinern, oder im Voraus festlegen.

Hunde, die aus dem Ausland zu uns kommen, sind bereits geimpft und gechipt und häufig auch schon kastriert. Hier kommen nur im Fall einer Erkrankung Tierarztkosten auf den Verein zu. Das sind sehr häufig Ohrenentzündungen, Zahnstein und Entzündungen an den Zähnen. Einige Zuchthündinnen kommen mit Tumoren in der Gesäugeleiste.

Bei deutschen Zuchthunden fehlt sehr häufig alles. Sie müssen gechipt und geimpft werden und nach Möglichkeit lassen wir die Hunde auch kastrieren. Sie bekommen eine Wurmkur und ein Mittel gegen Parasiten. Und auch hier kommen dann noch die jeweiligen Behandlungen bei auftretenden Erkrankungen dazu.

So kommen bei einem Hund sehr schnell ein paar hundert Euro an Kosten für den Tierarzt zusammen. Die Kosten sind häufig weitaus höher, als die Tierschutzgebühr bei einer Vermittlung.

Hund.info: Vielen lieben Dank, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast, Sylke! Es ist schön zu sehen, dass es solch tatkräftigen Helfer gibt. Ich hoffe Ihr bekommt hier durch noch ein wenig mehr Unterstützung!

Über den Verein:

Schon seit Februar 2010 gibt es den Verein „Ausrangiert und Abgeschoben e.V.“. Zu den Hauptaufgaben des Vereins zählt sowohl die Rettung und Rehabilitation ehemaliger Vermehrerhunde und auch die Vermittlung von unerwünschten oder nicht mehr tragbaren Familienhunden.

Im Jahr 2013 konnte der Verein insgesamt 77 Hunden zu einem neuen Zuhause verhelfen. Ein großer Teil dieser Hunde stammten aus ehemaligen Vermehrerbetrieben. Um ihre  Arbeit tiergerecht und professionell verrichten zu können, müssen die Vereinsmitglieder lange Fahrten auf sich nehmen. Allein im Jahr 2013 kamen so  35.380 Kilometer Fahrstrecke zusammen. Die Kosten für die Pflege und Versorgung der Hunde belief sich in 2013 auf 37.393,19 Euro.

Weitere Informationen über den Verein und die aktuell zur Vermittlung stehenden Tiere finden Interessierte unter

http://www.ausrangiert-und-abgeschoben.de/ und auch auf der

Facebook-Seite des Vereins.

Die Mitglieder freuen sich immer über neue Mitstreiter, Spenden und hilfsbereite Hundefreunde.

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