Die Sache mit der inneren Ruhe…

… gar nicht so einfach, oder doch?

Hunde sind wandelnde Seismographen, was unsere innere Stimmung angeht. Schonungslos zeigen sie an, ob wir gelassen und ruhig oder innerlich aufgeregt, nervös oder wütend sind. Sie spüren das, was IN uns geschieht und lassen sich NIEMALS von der äußeren Fassade blenden. Mag nun für manch einen esoterisch klingen, hat jedoch mit Esoterik überhaupt nichts zu tun.

Hunde, wie viele andere Lebewesen auch, haben sehr feine Antennen, die jede Gefühlsregung eines anderen wahrnehmen können. Auch wir Menschen haben diese Antennen, die jedoch leider zu oft verkümmert sind. Ein Beispiel, das vielleicht manch einer nachvollziehen kann: Man betritt einen Raum, in dem sich mehrere Menschen aufhalten, und kann deutlich spüren, dass hier „dicke Luft“ herrscht. Egal, ob die Personen uns nun freundlich entgegentreten oder nicht.

Hunde sind in dieser Hinsicht „schonungslos“. Sie lassen sich NIE von der äußeren Fassade blenden, sondern sehen vielmehr mitten ins Herz, nehmen unsere innere Gestimmtheit wahr und spiegeln dieses nach außen. Kennen nicht auch Sie eventuell folgendes Szenario? Nach einem stressigen Arbeitstag, gespickt mit einem Berg an Ärger, freut man sich auf einen erholsamen Spaziergang mit dem vierbeinigen Freund. Aber genau daraus wird nichts: Unsere Fellnase benimmt sich gerade heute „daneben“, rennt mit hoch erhobenem Stinkefinger durch die Gegend, als ob uns unser Hund ausgerechnet heute noch „extra ärgern“ möchte. Nein, das will er nicht! Vielmehr zeigt er, was in uns wirklich los ist. Zeigt, dass wir noch immer genervt, gestresst und wütend sind.

Wer also mit Gefühlen wie Ärger, Zorn, Wut oder gestresst und genervt meint, bei seinem Hund etwas erreichen zu können, liegt falsch. VÖLLIG FALSCH! Alles, was hier passiert, ist, dass unsere Fellnase noch weiteren „Blödsinn“, sprich Fehlverhalten, zeigt. Und schon beginnt sie, die Spirale…. Der ohnehin schon genervte oder wütende Hundehalter wird in seinen „Ansagen“ seinem Hund gegenüber lauter, grober, emotionaler und sein Hund reagiert darauf. Beide – Hund und Halter – schaukeln sich hoch und nichts geht mehr.

Oft genug konnte ich dieses Szenario im Training beobachten. Nach außen Ruhe und Gelassenheit mimend versucht Hundehalter seinem Hund etwas mitzuteilen. Der Hund an der Leine tobt inzwischen, führt sich auf, wie ein Berserker und ignoriert vermeintlich alles gute Zureden seitens des Hundehalters. Wie oft höre ich dann auf meine Anweisung, ruhig zu sein, tief durchzuatmen und mit Ruhe weiterzumachen, dass betreffender Hundehalter doch ruhig sei. NEIN, das ist er definitiv nicht. Das zeigt der Hund an der Leine mehr als deutlich. Mindestens genauso oft sind die Hundehalter dann erstaunt, wenn ich – um dem Hund und auch dem Hundehalter eine Pause zu gönnen – den Hund nehme. Urplötzlich ist der Hund wieder ruhig, steht oder sitzt still neben mir. Das ist keine Zauberei – wie manch einer immer glauben mag. Auch hat es rein gar nichts damit zu tun, dass der Hund nur seinen Besitzer ärgern will – eine weitere Erklärung für das Szenario, das der Hundehalter gerade beobachten
konnte. Wie schon gesagt: Der Hund spiegelt das, was IM Menschen gerade los ist. Das ist alles.

Mir ist durchaus bewusst, dass wir Menschen keinen Knopf haben, eine negative Emotion, die in uns tobt, „wegzuknipsen“. Jedoch kann ich als Mensch hinterfragen, WARUM es im Moment mit meinem Hund gerade nicht so klappt, wie ich mir das wünsche. Vielleicht kommt man dann sogar selbst sehr schnell auf die Antwort. Nimmt wahr, dass man alles andere als gelassen und ruhig ist. Versteht dann, WARUM die Fellnase so reagiert, wie sie es eben tut.

Ausweg aus dem Dilemma?

Der erste Schritt ist schon getan, wenn man erst einmal erkannt hat, dass man es SELBST ist, der dafür verantwortlich ist, dass Fellnase sich „daneben benimmt“. Der zweite Schritt wäre: AUFHÖREN mit dem, was man gerade tut. Denn ganz offensichtlich trägt es ja keine Früchte, führte es nicht zum Erfolg. Vielmehr tut man gut daran, erst einmal tief durchzuatmen, sich zu sammeln und sich zu fragen, ob es nicht doch vielleicht viel sinnvoller wäre, ruhig und gelassen im Umgang mit seinem Hund zu sein. Der Hund dankt es Ihnen auf jeden Fall!
Verbannen Sie bitte Aussagen wie: „Der will nicht! Der will mich nur ärgern! Der macht das nur, um mich zu ärgern!“ All diese Aussagen haben eines gemeinsam: Sie schieben „den schwarzen Peter“ dem Hund zu. Sie unterstellen dem Hund fehlende Kooperationsbereitschaft und böses Denken. So sind unsere Hunde nicht!!

Sehen Sie das ganze vielmehr als ein Geschenk! Ihr Freund an Ihrer Seite zeigt Ihnen, dass es Ihnen im Moment nicht gut geht. Denn gestresst, wütend oder zornig KANN es Ihnen doch auch nicht gut gehen. Ihr Hund weist Sie darauf hin, wieder gelassen und ruhig zu werden. Weist Sie darauf hin, wieder bei sich selbst zu sein. Und dafür darf man seinem vierbeinigen Freund WIRKLICH dankbar sein.

Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild

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