Futter wegnehmen – das muss er sich gefälligst gefallen lassen…

Mythos „Mein Hund muss sich das Futter / die Futterschüssel nehmen lassen.“

Wirklich? Wir sagen: „NEIN!“ Warum sollte er? Damit der Mensch „Macht“ demonstrieren kann? Letztlich sagen wir unserem Hund damit nur, dass wir nicht berechenbar sind, erziehen uns Schlinger – schließlich will ja lebensnotwendige Ressource gesichert werden, oder wir sehen uns mit einem knurrenden Hund konfrontiert, der nun wirklich nicht will, dass man ihm nimmt, was nun einmal überlebensnotwendig ist.

Woher kommt dieser Mythos?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Es bleibt lediglich zu vermuten, dass dieser Mythos aus einer Zeit stammt, in der man sich den Hund Untertan machen, seine eigene Macht gegenüber dem Hund zeigen wollte. Es mag auch der Irrglaube bestehen, dass ranghöhere Tiere den rangniedrigeren Tieren die Beute grundsätzlich abverlangen.
Meint man nun, dem Hund damit seine Macht demonstrieren zu müssen, so erklärt man dem Hund im Grunde nichts anderes als: „Achtung, ich bin nicht zurechnungsfähig. Mir darfst du nicht vertrauen, da ich dir jederzeit lebensnotwendige Ressourcen streitig mache.“ Gewinnt man damit das Vertrauen seines Hundes? Eindeutige Antwort: Nein!
Glaubt man immer den veralteten Theorien, dass ranghohe Tiere den rangniedrigeren Tieren Beute wegnehmen, zuerst fressen usw., so sei hier gesagt: Dem ist nicht so! Ranghohe fressen weder grundsätzlich zuerst, noch luchsen sie rangniedrigeren Tieren grundsätzlich die Beute ab. Es mag durchaus vorkommen, dass das geschieht, jedoch nicht aus der Einstellung heraus, dass sie das Recht dazu haben.

Was geschieht, wenn ich als Hundehalter meinem Hund die Futterschüssel / das Futter beim Fressen wieder wegnehme?
Zum einen erkläre ich mich dem Hund gegenüber wirklich als nicht vorhersehbar. Scheinbar willkürlich entwende ich ihm die lebensnotwendige Ressource Nahrung.
Zum anderen kann es passieren, dass der Hund zum Schlinger wird, um möglichst schnell die „Beute“ in den Magen zu bekommen, damit der Mensch – ja nicht vorhersehbar – nicht die Chance bekommt, ihm die Nahrung zu nehmen.

Das sind noch zwei Folgen, die für manchen Hundebesitzer noch hinnehmbar sind. Kritisch wird es meist erst dann, wenn der Hund Knurren als Reaktion zeigt. Dann kommt der Hilfeschrei, man ist völlig entsetzt, dass der eigene Hund den Menschen angeknurrt hat, man hält den eigenen Hund für aggressiv usw.
Dabei ist Knurren als allererstes zunächst einmal ein Kommunikationsmittel, dem unter Umständen schon einige andere Kommunikationssignale wie Einfrieren, Steifwerden, Lefzenziehen usw. vorausgegangen sind. Der Hund teilt damit mit: „Bleib weg!“ oder „Ich möchte das nicht / ich möchte Abstand!“ Es ist also VÖLLIG normal, dass ein Hund, der gelernt hat, dass sein Halter nicht vorhersehbar plötzlich das Futter beansprucht, mitteilt, dass er das nicht möchte. Und es ist auch sein gutes Recht!
Man stelle sich nur vor, man selbst sitzt im Restaurant und isst gerade. Der Herr vom Nachbartisch springt auf und schnappt sich ihren Teller. Was tun? Na, ich bin mir ziemlich sicher, dass so ziemlich jeder reagieren würde. Und genau das tut der Hund auch. Nur mit dem Unterschied: Ihm gestehen wir diese Reaktion nicht zu.

Was geschieht im weiteren Verlauf? Hund knurrt – das Verhalten wird als völlig daneben eingestuft und umgehend unterbunden. Denn: „Mein Hund hat mich nicht anzuknurren!“
Damit nehme ich dem Hund ein Kommunikationsmittel – abgesehen davon, dass ich vorherige Signale wohl auch schon nicht wahrgenommen habe. Lernt der Hund nun, dass er sich durch Knurren nicht mitteilen kann/darf bzw. seine Bedürfnisse – in diesem Fall die Nahrungsaufnahme – nicht sichern kann, dann kann es unter Umständen sein, dass die nächste Stufe der Kommunikation erreicht wird: der Hund schnappt ab. Was sonst sollte er auch tun? Er wurde ja vorher schon nicht „ernst“ genommen.
Natürlich ist es nicht schön, wenn mich mein eigener Hund anknurrt. Jedoch muss mir bewusst sein, dass es hierfür einen triftigen Grund gibt. DEN gilt es zu finden und zu überdenken. Und nicht dem Hund die Kommunikation mit uns zu untersagen.

Übrigens ist es auch nicht anders, wenn man Kinder zu Hause hat. Auch das ist kein Argument, dass Hund sich Futter wegnehmen lassen muss. In erster Linie ist es die Pflicht der Eltern den Kindern – wenn das vom Alter her möglich ist – zu erklären, wie man sich einem Hund gegenüber zu verhalten hat, dass man ihn in Ruhe zu lassen hat wenn er frisst, schläft usw. Sind die Kinder kleiner, sodass man ihnen das nicht erklären kann, hat man schlicht Sorge dafür zu tragen, dass der Hund seine Ruhe hat. Hier heißt es: Aufpassen!

In diesem Sinne: Sollte man wieder einmal im World Wide Web zweifelhafte Erziehungsvorschläge lesen: Erst einmal mit gesundem Menschenverstand hinterfragen, wie sinnvoll wohl diese vorgeschlagene Maßnahme ist.

Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild

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6 Kommentare

  1. Futter wegnehmen – das muss er sich gefälligst gefallen lassen…

    Hallo vorab toller Beitrag – aus meiner Sicht leider nicht völlig zu ende gedacht.
    Es geht bei meiner Hundedame zum Beispiel nicht darum das vorher zugeteilte Futter zu nehmen.
    Futter ist auch die mit Rasierklingen gespickte Leberwurst am Wegesrand oder der Giftköder.
    Nun will ich meinem Hund das weg nehmen und er knurrt oder geht mich sogar dafür an.
    Ja mein Hund muss von Futter ablassen wenn ich es will.

    Auch sollten wir mal das Verhalten in einem Rudel betrachten. Dort gibt es eine Rangordnung wenn das Alpha als erstes Futter haben will … wer wird da fressen? – Ich bin in unserem Pack der Leader und wenn ich das Futter will … dann bekomm ich das auch.

    Schade finde ich auch das hier keine öffentlichen Beiträge unter den Berichten zugelassen sind. Somit bleibt der einmal verfasste Blödsinn einfach im Netz bestehen.

    LG
    Markus

    • Hallo Markus, was meinst Du mit „keine öffentlichen Beiträge zugelassen“? Die Kommentare werden von mir freigeschaltet und sind dann öffentlich. Ich muss diesen Weg der Prüfung gehen, da es leider manche Mitmenschen nicht schaffen einen höflichen Umgangston zu wahren.

      Gruß Thomas

    • Hallo Markus, ich weiß, was Du meinst, aber es ist draußen eine andere Art des Trainings zu machen. Das nennt sich dann Giftköder-Training. Zu Hause brauchen die Hunde das ja nicht. Deshalb kann ich das Futter geben und das gehört dann meinem Hund. Ich mache das schon so seit ewigen Zeiten, da ich auch nicht das Futter meiner Hunde essen möchte. Ich finde den Artikel gut und stimme dem auch zu.
      LG Margot

    • Ich bin da voll beim Hundefan. Mein Hund gibt mir sein Futter, wenn ich das will, aus die Maus. Und ich werde ihn nicht anschließend zur Traumatherapie mit Klangschale schicken. Was macht denn ein Jäger, dem der Hund ein Stück nachgesucht hat? Er lobt seinen Hund und dieser freut sich wie Oscar, was Gutes getan zu haben. Danach wird geteilt, keiner kommt zu kurz. Das kapiert meiner Meinung nach JEDER sozialisierte Hund, der sich als Familienmitglied unteren (!) Ranges sieht (zu sehen hat).

  2. Hm, ich sehe das nun nicht als Blödsinn 😉
    Die Sorge, der Hund könne etwas Giftiges aufnehmen, ist heutzutage zurecht begründet. Darauf zielte mein Artikel jedoch nicht ab.
    Man kann Hunden durchaus erklären, dass Fressbares am Boden nicht ungefragt aufgenommen werden darf. Das wiederum ist jedoch nicht Inhalt des Beitrags.

    • Carolin Ahlmann

      Blödsinn was Sie schreiben. Als Welpe wird geübt,dass man Futter jederzeit wegnehmen kann. Denn dann kann ich verhindern, dass draußen etwas aufgenommen wird,was nicht für den Hund bestimmt ist.
      In einer Sache haben Sie Recht, dass Kinder niemals ans Futter zu gehen haben.
      Das habe ich meinen Kindern und Enkelkinder sofort beigebracht.

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