Hundekontakt zulassen oder nicht?

Eine Frage, die pauschal nicht beantwortet werden kann / soll, sondern individuell betrachtet werden muss.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass der Kontakt meines Hundes zu Artgenossen nicht in einem wilden Getobe ausarten sollte. DAS ist definitiv KEIN sinnvoller Kontakt. Hunde, die aufeinander wie Düsenjets zustürzen um zu „spielen“ haben Stress! Das, was Menschen nämlich als Spiel sehen, ist keines. Es ist Kommunikation zwischen zwei „Muttersprachlern“.

Unter Hunden / in einem Rudel gilt als oberste Priorität erst einmal Ruhe. Dafür sorgen souveräne Führhunde, die jegliches wilde Gerangel oder Gerenne SOFORT unterbinden. Denn, das ist nicht erwünscht!

Hier steckt schon der erste Denkfehler vieler Hundehalter. Sie erfreuen sich daran, dass ihr Hund losrennt, weil er ja spielen möchte mit dem Artgenossen. Es erfreut das Hundehalterherz, seinen eigenen Hund wild rennend mit dem „Freund“ balgend zu sehen… Was hier stattfindet, ist purer Stress. Es werden nicht selten Anzeichen von Mobbing – und das gibt es sehr wohl unter Hunden – übersehen, es wird nicht erkannt, dass der eigene Hund völlig überfordert ist mit der Situation, es wird wahrgenommen, dass der eigene Hund Schutz bei seinem Halter sucht.

Solche Erfahrungen prägen den Hund und vor allem die Beziehung zu seinem Menschen. Ein Hund, der in ein „Spiel“ geschickt wird, in dem er nur Stress hat, wird verständlicherweise nicht viel Vertrauen in die Kompetenzen seines Halters legen. Wie auch?

Dass die Beziehung zwischen Hund und Halter leiden kann, ist die eine Sache… Eine andere ist, dass viele Hunde „verlernen“, hündisch gesehen sich korrekt anderen Hunden gegenüber zu verhalten. Haben sie selbst die Erfahrung machen müssen, dass sie bei solchen Kontakten regelmäßig überrollt, gemobbt werden, ihre Distanz auf respektlose Art und Weise unterschritten wurde, braucht man sich nicht zu wundern, dass der eigene Hund wie ein Berserker auf Artgenossen reagiert, zum Präventivschlag ausholt, um sich selbst erst einmal zu schützen.

Solch ein Verhalten kann für diese Hunde durchaus negative Folgen haben. Nicht selten sind es gerade diese Hunde, die unter Umständen von Artgenossen „niedergeprügelt“ werden, da sie sich völlig respektlos verhalten.

Wenn man als Hundehalter seinem Hund Kontakt zu Artgenossen zugestehen möchte, dann sollte man tunlichst darauf achten, den RICHTIGEN Kontakt zu ermöglichen. Solch einer sieht eben nicht vor, dass wild aufeinander zugestürmt wird und wild „gespielt“ wird. Wenn ich einen eher introvertierten Hund habe, dann ist das passende Gegenüber auch
eher introvertiert, da er mit einem extrovertierten Hund leicht überfordert sein kann. Nenne ich einen wahren „Treibauf“ mein Eigen, dann tu ich gut daran, ihm den Kontakt zu einem souveränen, erfahrenen und ruhigen Hund zu ermöglichen. Diesem Kandidaten einen ebenso wilden Wirbelwind als „Spielgefährten“ an die Seite zu stellen, ist schlichtweg eine Katastrophe – für ALLE Beteiligten. Was bitte sollen die Hunde hier sinnvolles voneinander lernen? Eben – gar nichts!

Natürlich gibt es sie, die echten Freundschaften unter Hunden, die auch sinnvoll sind. Hunde, die gerne miteinander sind, die es lieben, gemeinsam auf dem Gassigang unterwegs zu sein. Aber eines ist hierbei besonders charakteristisch: Dieses Miteinander ist mit absoluter Sicherheit alles andere als wild!

Mir persönlich ist dieses Thema ein sehr großes Anliegen, weil gerade der Mythos „Die wollen doch nur spielen!“ sich sehr hartnäckig hält…. Immer wieder wird mir von Hundehaltern erzählt, dass sie mit ihren Hunden gemeinsam mit „Hundefreunden“ spazieren gehen – teils in sehr großen Gassigeherpulks. Wie kontraproduktiv sich das auf das Hundeverhalten und auf die Mensch-Hund-Beziehung auswirkt, wird dabei leider völlig übersehen.

Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild

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2 Kommentare

  1. Also mein Hund, ein yorki rüde, ist aus meiner Sicht sehr unsicher. Er klefft Menschen und Hunde an, unabhängig von dem was sie machen. Für mich ist es schwierig zb an den Strand oder auf der Wiese mit ihm spielen zu gehen da, es extrem viele unverantwortliche Hundehalter gibt, die ihre Hunde ohne Leine laufen lassen und da meiner dann jeden angeht, bringt er sich und auch mich ständig in Schwierigkeiten sodas ich mich schon kaum noch mit ihm iwo hin traue. Kann ihn kaum spielen oder austoben lassen. Das belastet mich schon sehr.

    • Liebe Sandra,

      Es ist immer entscheidend, welcher Typ Hund vor einem steht, weswegen Ferndiagnosen leider nicht möglich sind. Viele Hund brauchen die Unterstützung ihres Hundehalters. Letztlich ist Führung das „Zauberwort“.
      Das Ankläffen kann grundsätzlich auch folgendes Thema sein: Er fühlt sich zuständig. Heißt, ihm hat noch nie jemand „erklärt“, dass es nicht seine Aufgabe ist. Es sind sehr oft Hunde – so meine Erfahrung – die nicht unbedingt aus Unsicherheit (so wie wir sie sehen) handeln, sondern aus der Ungewissheit, wer hier wen führt.

      Liebe Grüße,
      Alexandra

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