Ausschlag für diesen Artikel gab ein Telefonat einer ziemlich verzweifelten Hundehalterin. Am Telefon schilderte sie mir, dass sie seit drei Wochen einen Doggen-Schäfer-Mischling ihr Eigen nennt. Der „Kleine“ Mann – gerade einmal 12 Wochen alt – benimmt sich nicht nur nicht, sondern terrorisiere vielmehr die ganze Familie – so die Aussage der Hundehalterin.
Sie habe auch schon eine Hundeschule aufgesucht. Aber, so erklärt sie weiter, dort habe man ihr nicht helfen können. Ihr wurde erklärt, dass sie einen großen Fehler gemacht habe, diese Mischung zu nehmen und schließlich brauche man sich jetzt nicht wundern, dass man jetzt Probleme hat. Denn das liege ja auf der Hand: „Sie haben da jetzt die Sturheit der Dogge und die Aggressivität des Schäferhundes gepaart.“ Wie bitte???
Bei derlei Aussagen stellt sich mir innerlich alles auf. Wie bitte kommt man denn auf die Idee, die Dogge pauschal als stur und den Schäferhund als per se aggressiv zu bezeichnen? Selbst in den Rassebeschreibungen ist solch ein Unsinn nicht zu finden – und in diesen ist ohnehin schon extrem viel Unsinn zu finden.
Warum sollte eine Dogge stur sein? Gibt es denn tatsächlich ein Gen für die Sturheit? Warum sollte ein Schäferhund aggressiv sein? Gibt es ein Gen für Aggressivität? Ein Wahnsinn sonders gleichen, solch einen Quatsch wirklich zu glauben oder ernst zu nehmen.
Warum soll eine bestimmte Rasse anders ticken als eine andere Rasse? Natürlich haben verschiedene Hunderassen unter Umständen bestimmte Veranlagungen, weil die Zucht darauf selektiert wurde. Jedoch darf man nicht vergessen: Ein Hund ist erst einmal nichts anderes als ein Hund! Und man darf sich sicher sein: Unsere Hunde haben ihre Rassebeschreibungen NICHT gelesen…
Dieses Schubladendenken ist in meinen Augen VÖLLIGER QUATSCH! Genau aus diesem Grund stehen jetzt auch Hunde auf der Kampfhundeliste… aus diesem Grund werden heute noch immer Aussis, Borders und co. zu hibbeligen, überdrehten, völlig gestressten Hunden gemacht, weil es heißt, sie müssten ausgelastet werden… aus diesem Grund gehen manche Menschen derart grob mit ihrem Vierbeiner um, weil diese Rasse angeblich eine harte Hand brauche, und machen genau DAMIT unter Umständen ihren Hund aggressiv… aus diesem Grund wird Hundehaltern erzählt, dass sie beispielsweise von ihrem Mops nichts erwarten dürfen, weil er einfach nicht lernwillig sei… Die Liste an Vorurteilen könnte man beliebig erweitern.
Mit ein wenig gesundem Menschenverstand kann ich doch nicht wirklich ernsthaft glauben, dass Doggen pauschal stur und Schäferhunde pauschal aggressiv sind! Bezogen auf die Menschenwelt kennen wir diese Vorurteile leider auch. Da wird jeder, der einer bestimmten Nationalität angehört munter in den entsprechenden Topf geworfen.
Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass dieses – in meinen Augen – veraltete Rassedenken endlich aufhört. Für mich ist ein Hund erst einmal ein Hund.
Denn die Erfahrung zeigt: Man nehme 10 Schäferhunde und hat mit 10 verschiedenen Charakteren zu tun. So ist das nicht nur bei uns in der Menschenwelt. Das ist auch so bei unseren Hunden!
Sollte Ihnen also jemand erzählen wollen, dass ihr Hund aufgrund seiner Rassezugehörigkeit bestimmte „Fehlverhalten“ zeige, sei Ihnen angeraten: Drehen Sie auf dem Absatz um! Dieser Mensch hat leider keine Ahnung von Hunden….
Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild
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