Rückruf

Wie heißt ihr Hund nochmal?? Leckerli??

„Leeeeeeeeeeckerli!“, schallt es über den Hundeplatz. Grund dafür ist nicht etwa ein Quiz, indem es um typische Trainingsmittel geht. Nein, hier ruft lediglich Herr Huber seinen Hund aus dem Freilauf zu sich. Oder versucht es genauer gesagt zumindest.

Es lohnt sich, das Szenario von Anfang an zu beobachten: Willi, Herrn Hubers Jack Russel, und Biene, eine Goldihündin, toben gemeinsam über den Hundeplatz. Aufgabe der Hundehalter war es, den eigenen Hund aus diesem Sozialkontakt zu holen.

Und damit begann das Schauspiel…

Einsatz Herr Huber: „Willi? Komm!“ Reaktion seines Hundes? Keine!

Herr Huber: „Wiiiiiilliiiiiii! Nun komm doch bitte!“ Reaktion seines Hundes? Sie erraten es sicher…. Genau, KEINE.

Ein weiterer Versuch wird gestartet: „Williiiii!! Nun aber!!! Komm jetzt sofort hierher! Hörst du?“ Nein, Willi hört nicht. Und nein, Willi ist nicht etwa schon ein älterer Herr und hat aufgrund dessen ein nachlassendes Gehör. Der kleine Mann ist gerade einmal zwei Jahre alt, topfit und hört – wenn ihm das wichtig ist – Mäuse unter der Grasnarbe husten.

Herr Huber wäre aber nicht Herr Huber, wenn er jetzt nicht DIE ultimative Wunderwaffe im Gepäck hätte. Er schwillt die Brust, strafft sich, macht sich um mindestens 10cm größer und setzt an: „Williiiii, guuuuuuuuuck mal, was ich für dich habe! Leeeeeeeeeeeeeeeeeckerliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!“

Wer jetzt meint, Willi würde den Kopf in Richtung Herrn Huber herumreißen, die flotte Goldihündin links liegen lassen, auf den Hinterbeinen Kehrt machen und mit wehenden Ohren in Richtung seines Herrchens fliegen, der irrt. Zumindest lässt sich Willi beim Wort „Leckerli“ dazu herab, kurz in Richtung seines Herrchens zu SCHIELEN. Nein, der Kopf wird noch nicht dorthin bewegt, geschweige denn vom Rest des Hundekörpers.

Schließlich stapft Herr Huber, der aufgrund des vielen Rufens schon leichte Heiserkeit zeigt, Richtung seines Hundes. Klar, dass Willi ihm nun nicht freudestrahlend entgegenspringt, sondern sich lieber weiter mit Biene beschäftigt. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist das Fang-den-Hund-Spiel dann vorbei und Herr Huber wird endlich seines Hundes habhaft und schiebt ihm ein Stück Fleischwurst ins Maul.

Entschuldigend meint er, als er schnaufend mit seinem vorwitzigen Kerlchen an der Leine wieder zur Gruppe aufschließt: „Also normalerweise kommt er sofort, wenn ich ihm mit „Leckerli“ rufe.“ Tja, dann sollte Herr Huber seinen Hund umtaufen und ihn künftig Leckerli nennen, schlage ich ihm vor.

Betrachtet man das ganze Szenario aus Hundesicht, dann hat Willi folgendes gelernt: Wenn mein Mensch mich ruft, dann tut er das ein paar Mal. Wenn er ein paar Mal gerufen hat, kommt er und gibt mir ein Stück Fleischwurst. Zuerst scheint mein Herrchen etwas sauer zu sein. Aber wenn er mir die Fleischwurst gegeben hat, ist er wieder glücklich und die Welt ist in bester Ordnung. Prima Übung!

Willi zeigt dieses Verhalten etwa nicht erst seit Neuestem. Nein, das hat er schon als Welpe, als er bei Herrn Huber einzog gelernt. Damals – in der Welpengruppe – wurde Willi gerufen, dieser jedoch drehte ab und jagte wild entschlossen zurück zu seinen Artgenossen. Als Entschuldigung kamen dann seitens Herrn Hubers Aussagen wie: „Ach, der spielt doch gerade so schön. Da ist doch klar, dass er gar nicht kommen mag.“

Besitzern wird oftmals geraten, Verhalten, das sie nicht wünschen, zu ignorieren. Der Hintergedanke dabei: Ein Verhalten, das keine Aufmerksamkeit bekommt, zeigt der Hund irgendwann nicht mehr. Gerade aber hier ist ein Ignorieren fatal. Was bitte mache ich, wenn mein Hund im Schweinsgalopp Richtung einer Straße läuft? Was tun, wenn mir ein angeleinter Vierbeiner entgegenkommt und deutlich zeigt, dass er keinen Kontakt möchte? Meinem Hund weiter hinterherbrüllen in der Hoffnung, dass mein Zauberwort doch noch erhört wird? Sehr sinnfrei….

Wenn man seinen Hund ruft, hat man dafür zu sorgen, dass er nicht nur in die Richtung seines Menschen kommt, sondern IN SEINE NÄHE. Und das nicht nur in 80 Prozent der Fälle, sondern mindestens in 99,9 Prozent der Fälle, möchte ich, dass mein Hund Spaziergänge in Nähe von Straßen auch überlebt…

Möchte man die 100 Prozent erreichen, dann muss man auch 100 Prozent erwarten und sich nicht mit 70 Prozent zufrieden geben. Es gilt, seinem Hund klar zu machen, dass man sich nicht in Frage stellen lässt – NIEMALS! Letztlich geht es um die Sicherheit Ihres Hundes.

 

Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild

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