Die Hüftgelenksdysplasie (HD) ist eine relativ häufige Erkrankung, insbesondere bei großen und mittelgroßen Hunderassen.
Es handelt sich dabei um eine Fehlbildung bzw. eine Fehlentwicklung des Hüftgelenks (griechisch „dys-„: Störung eines Zustandes; „plassein“: bilden).
Krankheitsbild
Die HD ist eine multifaktorielle, postnatale Gelenkentwicklungsstörung. Das bedeutet, dass mehrere verschiedene Ursachen zu ihrer Entstehung beitragen und dass sich das typische Krankheitsbild erst nach der Geburt ausbildet.
Neben Faktoren wie Haltung und Ernährung trägt vor allem eine starke genetische Komponente zu ihrer Entstehung bei. Die Heretabilität (Erblichkeit) beträgt je nach Rasse zwischen 0,2 und 0,6; das ist relativ hoch. Einige Hunderassen haben eine besonders starke Prädisposition („Anfälligkeit“) für die Erkrankung. Dazu zählen z. B. folgende Rassen:
–Deutscher Schäferhund
–Rottweiler
–Boxer
-Golden Retriever
–Labrador Retriever
-Berner Sennenhund.
Das Hüftgelenk ist ein Kugelgelenk. Bei einem gesunden Hund wird der Oberschenkelkopf (Femurkopf) halbmondförmig von der Beckenpfanne (Acetabulum) umschlossen.
Man kann sich das besser bildlich vorstellen, wenn man mit einer Hand eine Faust macht („Femurkopf“) und diese mit der anderen Hand („Acetabulum“) etwa zur Hälfte umschließt. Man kann spüren, dass die Faust einen guten Halt hat, sich aber dennoch in einem gewissen Umfang bewegen kann. Im Bereich des Hüftgelenks befinden sich zusätzlich einige Bänder und Muskeln, die die gelenkige Verbindung der beiden Knochen optimal unterstützen.
Die von einer HD betroffenen Hunde kommen mit normal ausgebildeten Hüftgelenken zur Welt. Ab einem Alter von etwa 2 Monaten sind auf dem Röntgenbild erste Veränderungen sichtbar, die sich im Verlauf der folgenden Monate zusehends verschlimmern.
Dabei handelt es sich zunächst um eine sogenannte Subluxation („lockere Hüfte“) durch instabil werdende Bänder. Der Femurkopf findet keinen so guten Halt mehr im Acetabulum, die jungen Hunde haben Schmerzen durch die vergrößerte Beweglichkeit des Hüftgelenks (die Schmerzen entstehen durch die Reizung von Nervenenden in der Knochenhaut des Beckenpfannenrandes).
Im weiteren Verlauf kann auf Röntgenaufnahmen gesehen werden, dass die Gelenkpfanne immer flacher zu werden scheint. Der Femurkopf findet nur noch wenig Halt, der Gelenkspalt wird immer größer, es entstehen Entzündungen und erste arthrotische Veränderungen, d. h. es entwickelt sich eine zunehmend schmerzhafte Abnutzung des Gelenkknorpels (Arthrose).
In diesem Zusammenhang können sich durch den permanenten Reiz sogenannte Osteophyten entwickeln, das sind „Knochenwucherungen“ an den Rändern des Acetabulums und am Femurkopf. Diese verursachen weitere Schmerzen.
Äußerlich sind diese Veränderungen durch folgende Symptome erkennbar:
-Gehstörungen, z. B. breitbeiniger Gang
-Lahmheitssymptomatik
-Bewegungsunlust
-Schwierigkeiten beim Aufstehen und Treppenlaufen
-Muskelschwund durch permanentes Schonen.
Die ersten sichtbaren Symptome treten meist in einem Alter von etwa 4 bis 10 Monaten auf.
In der Regel verschlimmern sie sich mit zunehmendem Alter des Hundes, es gibt jedoch auch Tiere, die trotz hochgradiger Röntgenbefunde erst im hohen Alter Lahmheiten zeigen.
Ebenso muss nicht jeder Hund alle Symptome zeigen.
In einem frühen Stadium kann der Tierarzt bei Verdacht auf HD eine manuelle Untersuchung, d. h. eine Untersuchung mit seinen Händen, vornehmen. Dabei wird der Hund in eine Kurznarkose gelegt und mit einer speziellen Technik (sog. Ortolani-Test) geprüft, ob eine Instabilität des Hüftgelenks vorliegt.
Auch eine Röntgenuntersuchung ist sinnvoll und oft notwendig, um die Schwere der HD korrekt beurteilen zu können.
Viele Zuchtverbände verlangen vor der Zuchtzulassung eines Hundes entsprechende Röntgenaufnahmen. Diese müssen von einem Tierarzt nach speziellen, von der FCI festgelegten Kriterien unter Narkose angefertigt werden. Die Narkose ist notwendig, da die Aufnahmen in teils überstreckter Haltung angefertigt werden müssen, was im wachen Zustand schmerzhaft wäre. Die Tiere müssen ein Mindestalter von einem Jahr haben, bei manchen Rassen auch 1,5 Jahre. Es wird u. a. der sogenannte Norberg-Winkel gemessen, der Winkel zwischen dem Zentrum eines Femurkopfes und dem vorderen Rand der Beckenpfanne. Er muss bei HD-freien Hunden über 105 ° betragen.
Die Auswertung erfolgt über den Zuchtverband; die untersuchten Hunde werden in HD-Klassen eingruppiert. Diese lauten
A – Kein Hinweis auf HD, der Beckenpfannenrand umgreift den Femurkopf gut
B – Fast normale Hüftgelenke
C – Leichtgradige HD
D – Mittelgradige HD
E – Schwere HD.
Teilweise wird nochmals unterteilt in A1, A2, B1, B2 usw.
Behandlungsmöglichkeiten
Eine Heilung im eigentlichen Sinne ist nicht möglich, es gibt aber verschiedene Behandlungsmethoden, die folgende Ziele verfolgen:
-Reduzierung, möglichst Beseitigung von Schmerz und Entzündung
-Verbesserung der Gelenkmechanik
-Verzögerung des Fortschreitens der Arthrose.
Während leichte bis mittlere Schweregrade meist konservativ behandelt werden, kann in schweren Fällen eine Operation notwendig werden. Zur konservativen Therapie zählen
-Gegebenenfalls eine Gewichtsreduktion, um die Belastung des Gelenks zu reduzieren
-Der Verzicht auf übermäßige Belastung wie z. B. Sprünge oder schnelles Bremsen auf rutschigen Böden
-Ein auf den Hund zugeschnittenes Bewegungsprogramm (mäßig, aber regelmäßig)
-Physiotherapie
-Anbieten eines warmen und trockenen Liegeplatzes (im Idealfall ein orthopädisches Hundebett)
-Medikamente, hier vor allem sogenannte NSAIDs (nicht-steroidale Antiphlogistika; das sind entzündungshemmende Medikamente, die zusätzlich eine schmerzstillende Wirkung haben)
-Spezielle Ergänzungsfuttermittel mit Glykosaminoglykanen (z. B. Extrakte aus der Grünlippigen Muschel), diese haben eine positive Wirkung auf den Gelenkknorpel
-Die sogenannte Stammzellentherapie; hierdurch kann ein Teil der Knorpelsubstanz wieder aufgebaut werden
-Die Goldimplantation, eine alternative Behandlungsform, bei der unter Narkose mit einer Hohlnadel kleine Goldpartikel in die umgebende Muskulatur des Hüftgelenks eingesetzt werden (z. T. in Akupunkturpunkte). Die Goldpartikel sollen zum einen einen Reiz darstellen, der die körpereigene Abwehr und den Stoffwechsel aktiviert, damit Entzündungsprodukte schneller abtransportiert werden. Zum anderen soll Gold den pH-Wert in dem betreffenden Gebiet verändern, was ebenfalls einen verstärkten Abtransport von Entzündungsprodukten zur Folge haben soll.
Operativ gibt es folgende Möglichkeiten:
-Straffung der Gelenkkapsel (nur bei leichten Formen bzw. jungen Hunden sinnvoll)
-Sogenannte PIN-Methode (Durchtrennung oder Entfernung des Musculus pectineus, der Sehne des Musculus iliopsoas und eines Nerven an der Gelenkkapsel); dabei handelt es sich um eine effektive Schmerztherapie, die eigentliche Schmerzursache bleibt jedoch bestehen
-Femurkopfresektion: Diese Operation ist nur bei Hunden unter 20 kg Körpergewicht sinnvoll. Dabei wird der Femurkopf abgetrennt. Der chronische Reiz, die Entzündung und die Abnutzung des Hüftgelenks können so gestoppt werden, Bindegewebe übernimmt teilweise die Positionierung des Femurkopfes. Insgesamt wird die Hüfte jedoch etwas instabiler, daher sollten schwerere Hunde nicht auf diese Weise behandelt werden.
-Beckenosteotomie (Durchtrennung der Knochen des Beckens an bestimmten Stellen und anschließendes Zusammenfügen unter einer besseren Winkelung; eher bei jungen Hunden zu empfehlen, bei denen die HD noch nicht so weit fortgeschritten ist)
-Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks (sehr teuer, aber in der Regel hervorragende Ergebnisse).
Die Wahl der jeweils passenden Behandlungsmethode setzt einen fachkundigen Tierarzt voraus. Operationen am Hüftgelenk sollten nur von Experten ihres Fachgebietes durchgeführt werden. Diese findet man in der Regel in größeren Kliniken, an die der Haustierarzt seine entsprechenden Patienten überweist. Die Nachbehandlung übernimmt wieder er selbst.
Prognose
Unbehandelt ist die Prognose durch die fortschreitende Arthrose des Hüftgelenks ungünstig. Je nach Behandlungsform können betroffene Hunde eine deutlich verbesserte Lebensqualität bis hin zur annähernden Symptomfreiheit erreichen.
Prophylaxe
Rassehunde sollten nur aus HD-freien Zuchten gekauft werden. Dies bietet zwar auch keinen hundertprozentigen Schutz, aber dennoch eine gewisse Sicherheit.
Gerade bei großen, schnellwüchsigen Hunderassen muss darauf geachtet werden, dass die Energiezufuhr im Wachstum nicht übertrieben wird („langsam groß füttern“). Auch Calcium, Vitamin D und C können überdosiert zur Verschlimmerung einer HD beitragen.