Bei der Tollwut handelt es sich um eine in aller Regel tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Sie wird hervorgerufen durch das Tollwutvirus, welches zu den sogenannten Lyssaviren gehört (griechisch lyssa = Wahnsinn). Es führt zu einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) mit entsprechender Beeinträchtigung bzw. Ausfall der Gehirnnervenfunktionen. Auch Entzündungen des Rückenmarks sind möglich.
Alle Säugetiere, Vögel sowie der Mensch können an Tollwut erkranken, fleischfressende Tierarten sind jedoch am häufigsten betroffen. Es wird unterschieden zwischen dem klassischen Tollwutvirus und mehreren Fledermaus-Tollwutviren, die jedoch ebenfalls auf andere Tierarten übertragbar sind und die Erkrankung auslösen können.
Wichtigster Reservoirwirt der terrestrischen Tollwut in Europa ist der Rotfuchs.
Durch gezielte Bekämpfung dieser gefährlichen Erkrankung gibt es Regionen, in denen die (terrestrische) Tollwut mittlerweile als ausgerottet gilt. Dennoch kommt es auch hier immer wieder zu Ausbrüchen, meist durch aus dem Ausland importierte Tiere. Die Bezeichnung „tollwutfrei“ für eine Region ist dabei nicht mit einer absoluten Freiheit gleichzusetzen; der Begriff steht vielmehr für ein fehlendes Auftreten der Erkrankung bei einheimischen Tieren ohne Kontakt zu Importtieren.
Deutschland gilt nach OIE (Weltorganisation für Tiergesundheit)-Kriterien seit 2008 als tollwutfrei bzw. frei von terrestrischer Tollwut; nicht jedoch nach den Kriterien der WHO (Weltgesundheitsorganisation), die auch eine Freiheit von Fledermaustollwut fordert.
Die Tollwut gehört zu den sogenannten Zoonosen, also zu den zwischen Mensch und Tier übertragbaren Erkrankungen. Die Impfung bei Hunden ist nach wie vor wichtig und sinnvoll.
Krankheitsbild
Die Ausscheidung der Tollwutviren erfolgt über den Speichel infizierter Tiere. Der Speichel kann beim Hund bereits 5 Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome Viren enthalten, also infektiös sein. Die Übertragung geschieht meist über Bisse, doch auch Speichelkontakt mit Wunden oder Schleimhäuten kann für eine Ansteckung ausreichen. Der Verzehr von Fleisch infizierter Tiere kann ebenfalls zu einer Virusübertragung führen. Selbst das Einatmen kontaminierter Luft in Höhlen mit infizierten Fledermäusen ist als Infektionsquelle beschrieben.
An der Eintrittsstelle vermehrt sich das Virus und sucht sich – nach einer Phase von wenigen Tagen bis hin zu Monaten – entlang der Nervenbahnen seinen Weg ins Zentrale Nervensystem und zu den Speicheldrüsen. Auch weitere Organe können befallen werden. Die Inkubationszeit (Zeit zwischen der Infektion und den ersten Symptomen) beträgt meist zwischen 14 Tagen und 24 Wochen, es wurden jedoch auch schon deutlich längere Zeiträume angegeben.
Der klassische Tollwutverlauf untergliedert sich dann in drei Phasen, die jedoch nicht alle auftreten müssen und die sich auch überlappen können:
- Prodromalstadium
Dieses Stadium dauert in der Regel nur einige Tage. Es ist gekennzeichnet durch
- Verhaltensänderungen (von vermehrter Zutraulichkeit bis hin zu gesteigerter Aggressivität)
- Ängstlichkeit, Unausgeglichenheit, Erregbarkeit
- Bearbeiten der Bissstelle
- Fieber
- Pupillenerweiterung (Mydriasis).
- Exzitationsstadium („rasende Wut“)
Die Dauer beträgt hier bis zu einer Woche. Die Symptomatik ist gekennzeichnet durch
- Nervosität, erhöhte Angriffsbereitschaft, Um-sich-Beißen
- Desorientierung, zielloses Umherwandern, ausdrucksloser Blick
- Koordinationsstörungen, Muskelzittern, Krämpfe, Lähmungen (u. a. der Schlundmuskulatur à Schluckstörungen, Speicheln)
- Leerkauen
- Langgezogenes, heiseres Bellen
- Ungleiche Pupillengrößen, Schielen, Vorfall der Nickhaut (3. Augenlid).
- Paralysestadium („stumme Wut“)
Dieses letzte Krankheitsstadium tritt kurze Zeit (wenige Tage) vor dem Tod ein. Es ist gekennzeichnet durch
- Großflächigere Lähmungserscheinungen (ganze Gliedmaßen und der Rumpf)
- Koma.
Der Tod tritt in den meisten Fällen innerhalb weniger Tage bis Wochen nach dem Auftreten der ersten Symptome ein.
In experimentellen Studien überlebten einige wenige Hunde; diese können jedoch zu Dauerausscheidern werden.
Diagnostik
! Die Diagnostik am lebenden Tier ist nur sehr eingeschränkt möglich: Es gibt keinen Test, der Tollwut beim lebenden Tier eindeutig ausschließen kann. Jeder nicht oder nicht ausreichend geimpfte Hund mit unklarer neurologischer Symptomatik kann daher als Tollwutverdachtsfall gelten; dasselbe gilt für Hunde, die ohne ersichtlichen Grund speicheln. Der Tollwutverdacht kann durch einen Tierarzt, aber auch durch jede andere Person ausgesprochen werden.
In der Tierarztpraxis versucht der Tierarzt – unter Beachtung der gesetzlichen sowie allgemeiner Sicherheitsvorschriften -, mögliche Differentialdiagnosen, also Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik, abzuprüfen. Wichtige Hinweise liefern ihm dabei Informationen über die Herkunft und den Impfstatus des Hundes sowie über mögliche Biss- oder sonstige Vorfälle bzw. Kontakte.
Besteht Tollwutverdacht, so muss sofort der zuständige Amtstierarzt informiert werden. Der Hund muss an Ort und Stelle verbleiben und separiert werden, bis dieser über das weitere Vorgehen entschieden hat. Ein Transport ist verboten.
Möglich ist eine Quarantänehaltung des betroffenen Hundes (mindestens für 3 Monate), jedoch auch die sofortige Tötung. Therapieversuche sind verboten.
An Gehirnschnitten toter Tiere können mittels Methoden wie der PCR (Polymerase-Kettenreaktion) bzw. Immunfluoreszenztest (IFA) die RNA des Virus oder weitere Virusbestandteile nachgewiesen werden.
Behandlungsmöglichkeiten
Behandlungsversuche an Tieren sind in Deutschland verboten.
Prognose
Die Tollwut verläuft fast immer tödlich. Nicht oder nicht ausreichend geimpfte Tiere dürfen bei Tollwutverdacht nach amtstierärztlicher Anordnung getötet werden.
Prophylaxe
Ein Impfstoff für Hunde ist seit langem verfügbar. Diese Impfung gehört zur sogenannten Core-Vakzine für den Hund, wird also nach wie vor dringend empfohlen.
Die Tollwutimpfung schützt sowohl vor der klassischen Tollwut als auch vor der durch Fledermäuse übertragenen Tollwut.
Die Grundimmunisierung erfolgt beim Welpen erstmals mit 12 Wochen; eine weitere Impfung mit 16 Wochen ist notwendig. Die nächste Auffrischung erhält der Hund nach einem Jahr, weitere Wiederholungsimpfungen müssen anschließend – je nach Hersteller bzw. Impfstoff – im Abstand von einem bis drei Jahren durchgeführt werden. Bei den meisten Herstellern ist mittlerweile eine Wiederholungsimpfung alle drei Jahre ausreichend; Vorsicht ist jedoch bei geplanten Auslandsaufenthalten geboten, da in jedem Land andere Einreisebestimmungen gelten (so kann beispielsweise eine jährliche Wiederholung der Impfung gefordert werden, obwohl der Impfstoffhersteller eine Auffrischung im dreijährigen Abstand empfiehlt).
Die Impfung bereits erkrankter oder tollwutverdächtiger Tiere ist in der Regel verboten. Bei Tieren mit wirksamem Impfschutz kann das zuständige Veterinäramt eine Auffrischung der Impfung anordnen.
Kommt ein ungeimpfter Mensch in Kontakt mit einem tollwutverdächtigen Tier, so ist sofort eine postexpositionelle Impfung durchzuführen. Diese wird nach einem genau vorgegebenen Schema durchgeführt. Wichtig ist die rechtzeitige erste Impfung (so schnell als möglich, jedoch spätestens nach 24 Stunden); sobald das Virus im Gehirn angekommen ist, ist die Impfung nicht mehr wirksam.