Alles nur eine Marketingstrategie?

Um es vorab zu beantworten: NEIN! Worauf sich die Frage bezieht? Auf die Umstellung unseres Konzepts. Wir haben uns – nachdem wir schon lange Zeit „anders“ arbeiten als andere Hundeschulen, letztlich dazu entschlossen, einen ganz neuen Weg einzuschlagen: fernab von Dressur (= Konditionierung), Leckerli (= Bestechung). Warum? Weil das alles kein Hund der Welt braucht…

Es ist unsere tiefste Überzeugung, dass Hunde eines nicht brauchen: Ein von Menschen erdachtes „Erziehungssystem“. Letztlich stülpen wir unseren Hunden ein Menschenerdachtes System über, nachdem sie etwas lernen sollen. Funktioniert die Hundewelt tatsächlich nach Schemata, nach einem System? Nein, das tut sie nicht! Hunde sind wie wir Menschen Individuen mit Stärken, Schwächen, Eigenheiten usw. Jeder Hund ist anders und jeder Hund hat es verdient, dass sein individuelles Wesen betrachtet und vor allem respektiert wird. Und das gelingt mit Sicherheit nicht durch Konditionierung.

Warum gibt es so viele Hundehalter, die mit einem vermeintlichen Fehlverhalten ihrer Hunde einen Trainer aufsuchen? Warum ist ein Hund (angeblich) leinenaggressiv? Warum zerstört der Hund zu Hause beim Alleinsein Gegenstände? Warum verbellt der Hund Artgenossen schon auf weite Entfernung? Warum klappt es mit dem Freilauf nicht und meist schon gar nicht mit dem Rückruf? Warum gibt es all diese „Probleme“, wenn doch die Hunde perfekt konditioniert sind und Sitz, Platz, Aus bestens beherrschen? Meine ehrliche Antwort hierauf: Weil NIEMAND bei der Konditionierung das Wesen Hund im Auge hat. Durch die Konditionierung geschieht eines: Wir degradieren den Hund zu einer Maschine, bei der man entsprechende Knöpfe drückt (sprich Kommandos gibt). Dabei verhindert die Konditionierung ein situatives Lernen des Hundes.

Eine Konditionierung verhindert eine Kommunikation mit dem geliebten Vierbeiner. Als Hundehalter erreiche ich durch eine Konditionierung eines mit Sicherheit NICHT: das Vertrauen des Hundes zu gewinnen. Wie soll der Hund denn auch Vertrauen in seinen Halter bekommen, wenn dieser von ihm beispielsweise ein Sitz einfordert, wenn dessen Erzfeind auf ihn zukommt. Wie soll Vertrauen in den Halter wachsen, wenn der Hund mit einer Wasserflasche bespritzt wird, sobald er auf einen Artgenossen Reagiert? Viele dieser vermeintlichen Erziehungstipps dürfen durchaus einmal genauer betrachtet werden. Betrachtet man sie vor allem aus den Augen des Hundes, so wird man schnell feststellen können, dass sie alles andere als klar verständlich für den Hund sein können. Oder wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihr Partner / Ihre Partnerin sie zwingt, sich zu setzen, wenn sie maximal aufgeregt sind? Was würde in Ihrem Kopf vorgehen, wenn Ihr Partner / Ihre Partnerin sie mit Wasser bespritzen würde, wenn sie von einem anderen Menschen aufs übelste Beleidigt werden? Würde all das Ihr Vertrauen in Ihren Partner / Ihre Partnerin stärken?

Warum ich diese Überschrift gewählt habe? Weil es für einen Zeitgenossen in Facebook Anlass war, in einer der vielen Hundegruppen genau diese Frage zu stellen. Anlass dafür, eine hitzige Diskussion auszulösen, die nicht nur völlig ohne Hintergrundwissen, sondern insgesamt – wie für soziale Netzwerke leider inzwischen so typisch – auch unter der Gürtellinie auf einem äußerst niedrigem Niveau stattfand. Offensichtlich gibt es für viele Menschen (sprich Hundehalter) nur Schwarz oder Weiß – die vielen feinen Farbschattierungen dazwischen kennen sie nicht oder nehmen sie nicht mehr wahr. Woher das kommt? Vielleicht aufgrund der vielen selbsternannten Hundeexperten, unzähliger Bücher, die uralte und längst überholte Fakten weiterverbreiten, Fernsehsendungen über Hundeerziehung, die teils sehr fraglich sind usw. All das führt zu viel (vermeintlichem) Wissen, zu Verwirrung. Warum verlässt man sich nicht mehr auf das Bauchgefühl? Fühlt es sich tatsächlich gut an, einen Hund mit Wurfscheiben zu bewerfen, mit Wasser zu bespritzen? Wenn dem so ist, dann mag ich an dieser Stelle behaupten, dass es sich bei diesen Zeitgenossen um Menschen handelt, die sich offensichtlich als die Krone der Schöpfung ansehen. Warum sonst kommt man auf die Idee, den Hund so zu behandeln? Ihn mittels Dressur zu verbiegen? Ihn nicht verstehen zu wollen?

Mir ist bewusst, dass dieser Artikel wohl einigen auf die Füße treten mag. Und genau das ist auch mein Anliegen dahinter. Es wird Zeit, sich Gedanken zu machen, zu überlegen, ob das, was man mit Hund tut, auch hündisch ist oder einfach nicht viel mehr ist als Machtausübung – Hund hat zu funktionieren….

Es ist mein innigster Wunsch, dass sich Hundehalter einmal in ihren Hund versetzen, wirklich versuchen ihn zu verstehen, ihn anzuerkennen in seinem wahren Wesen. Sie werden erstaunt sein, wer da wirklich bei ihnen zu Hause lebt: Ein Geschenk auf vier Beinen.

Dies ist die Kolumne von Alexandra Sigmund-Wild, ausgebildete und geprüfte Hundetrainerin (Webseite: www.vontierzudir.de) bei Hund.info – Weitere Beiträge findest Du zukünftig hier: https://hund.info/kolumnen/sigmund-wild

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